Eine siegreiche Niederlage

Sororita
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Eine siegreiche Niederlage

Beitragvon Sororita » Mo 12. Sep 2011, 22:46

Tagebucheintrag

Oh Mechanus, wie berechenbar sicher sind doch Deine Rädchen! Deine unmerklich langsamen Bewegungen heilen meine Seele nach all den erfolglosen Heldentaten in untoter Dunkelheit. Ein trügerisches Licht der Hoffnung habe ich diesen arglos dummen Dorfbewohnern darin gespendet.

In der Nacht, atemlos aufgeschreckt, höre ich manchmal noch durch einen Spalt das Echo seiner entseelten Stimme meine Pläne verhöhnen, bevor sich die Bilder meiner schwarzen Träume hinter mir schliessen.

Ich bin der Alte, ich bin das Land!

Gepfählt haben wir ihn. Abgetrennt haben wir seinen Kopf von dem erstarrten Rumpf. Verbrannt haben wir seinen untoten Körper im schwarzen Steinsarkophag 40 Meter tief unter der Erde. Doch er, er ist der Alte; er ist das Land! Geschwächt haben wir ihn, doch nicht getötet. Immerhin, er musste uns ziehen lassen. Siegessicher sind wir in der trügerischen Gewissheit gegangen, dass der erstickende Nebel nie wieder das kleine Dorf am Fusse des Schlosses Rabenhorst mit seinen grauen Fingern umklammern würde.

Lief Lipsiege erzählt nichts von seiner Zeit als Buchhalter im Dienste von Baron Strahd Belview. Nur widerwillig hat er mir vor ein paar Tagen Strahds Tagebuch übersetzt. Er hat wohl von einem so knappen Menschenleben zu viele Nächte lang angekettet an einem Holztisch ausharren und die Reichtümer des Barons verwalten müssen. Nie hätte ich gedacht, je etwas so Widersinniges über Sigil niederzuschreiben. Doch: Hier im Cage blüht mein Freund auf. Voll Energie und Neugier erwartet er jeden neuen Tag! Es muss auch unter Cages Nuancen geben.

Aber sonst kann mich nur wenig verletzen. Selbst ein Pfahl durch mein Herz tötet micht nicht.

Ja, dort steht es, in seinem Tagebuch. Weit habe ich das Schloss Rabenhorst nach ihm erkundet. Verstaubt und vergessen lag es in einer hinter Glut verborgenen Schatzkammer. Doch das Schicksal liess mich ein zweites Mal nach ihm suchen. Als ich es wieder in meinen Händen hielt, stand die Sonne schon zu tief, um daraus die Wahrheit zu erfahren. Denn nur während zwölf Schutz bringenden Stunden ist der Baron tot; dies war ein zu kurzes helles Zeitfenster, um einen so mächtigen Gegner zu vernichten. Die Sonnenstrahlen waren uns an jenem einen Tag nicht gnädig gestimmt, doch ihm werden sie in Ewigkeit kein Erbarmen zeigen.

Getötet haben wir ihn, um sein Versprechen, uns unsere Freiheit zu gewähren, einzufordern. Nicht dass das Töten in meiner Natur läge. Zuerst haben sie versucht, mit dem Baron zu verhandeln, danach zu fliehen. Doch sind sie am grauen Nebel fast erstickt und erschöpft zurückgekehrt. Schliesslich haben wir für ihn seine Drecksarbeit gemacht, doch zu furchteinflössend wurde er uns in seiner von Sehnsucht lodernden Wut.

Angelockt hat er uns mit einem falschen Versprechen. Denn er ist das Land, doch wie soll das Land sich selber verlassen können? Rätsel über Rätsel ... Bis in die Katakomben seines Schlosses bin ich ihm gefolgt, um seine Geheimnisse zu erfahren. Nur wenige konnte ich lösen. Ein mächtiger Krieger muss er gewesen sein. Wie sonst hätte er Barovia erobern können? Und einen jungen schönen Bruder hat er gehabt. Doch nahm ihm dieser seine Liebe weg. Am Tag der Hochzeit tötete er seinen Bruder und schloss mit dessen Blut einen Pakt. Von diesem Schreckenstag zeugt noch immer eine von Schimmel zerfressene Hochzeitstorte und ein unbenutztes Festgedeck oben im fünften Stock des Schlosses. Sergei war sein Name und mit schöner Wandmalerei ist seine Gruft geschmückt.

Doch diese Liebe liess den Baron nicht mehr los. Gebuhlt hat er nach seines Bruders Tod um ihr Herz, unerwidert blieben seine Bemühungen. Aus Verzweiflung sprang Tatyana von den Klippen des Schlosses; nicht einmal er konnte ihren Leichnam finden. Wie manche Jahrhunderte er schon auf sie gewartet hat, kann ich nur erahnen. Viele müssen es gewesen sein. Auch dieses Mal konnte er ihre Wiedergeburt nicht für sich gewinnen. Als sein untoter Körper noch brannte, entschwand sie mit Sergei in einem strahlenden Licht inmitten der kalten Katakombe. Schicksalhaft für die Bewohner Barovias mag es gewesen sein, dass Sergeis Schwert vielleicht zusammen mit ihr verschwunden ist. Sein Hass darauf liess den Baron über Jahrhunderte danach suchen, holen konnte er es nicht. Mir bleibt nur die Hoffnung, dass das Schwert wieder an seinem alten Platz liegt, auf dem Sarg des Königs in der Lichtgruft.

Vampyr ist mein neuer Name und ich wohne jetzt tief unter Rabenhorst.

Trotz unseren Tötungsversuchen wird er also dort auf Rabenhorst, in Barovia auf der Halbebene des Schreckens überdauern. Die Zeit wird dem Untoten nichts anhaben. Mächtige Kräfte hat ihm dieser Zustand verliehen: Er kann fliegen und sich in Tiere verwandeln. Jeden Plan gefährden tut jedoch seine Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Viel Wissen hat er über sein Vampir-Sein angehäuft. Wie schwer es sein wird, ihn endgültig zu vernichten, lässt sich nur durch ein vertieftes Studium in den grossen Bibliotheken Sigils abschätzen. Soviel ist vor allen Studien bereits klar. Er wird einen Pakt mit dem Gott Graz'zt, einem der gefürchtetsten Dämonenlords aus der Abbys geschlossen haben. Ich habe das Skelett eines Anbeters des dunklen Prinzen, wie dieser Gott auch genannt wird, in der Schlosskirche gefunden. Ob er getötet wurde, als die Schlosswache den bereits untoten Straht angriffen, ist ungewiss. Ich vermute in diesem Pakt den Grund, weshalb Barovia seine Position von der Prime auf die Halbebene des Schreckens im Äther gewechselt hat. Die Frage ist, was der Baron für diesen Blutpakt gezahlt hat und ob er immer noch dafür zahlt. Es mag nur ein komischer Zufall gewesen sein, dass ein Mitstreiter sich als Tanar'ri entpuppt und uns schwer verletzt hat.

Ich bin der Alte, ich bin das Land! Meine Anfänge sind im Dunkeln der Vergangenheit verloren.

Vieles bleibt in der Leere von Schloss Rabenhorst verborgen; die Zeit spielt für Strad und gegen die Sterblichen. So ist mir unklar, weshalb Strahds Eltern den Königstitel trugen, Strahd sich jedoch Baron nennt. Noch viel rätselhafter sind die Grabmalereien in der Gruft seiner Eltern. Darauf sind drei Knaben abgebildet. Mir ist jedoch nur die Existenz von zwei Kindern bekannt, Sergei und Strahd. Es ist jedoch nicht die Jahrhundert alte Vergangenheit, die ich fürchte. Finstere Angst ergreift mich bei der Frage, wie der Baron mich, Merviel Tonaieth, aus den Tiefen der Halbebene des Schreckens in meiner Kammer im Judicarium vor etwa 11 Tagen ausfindig machen konnte.

Ah, ich höre Lipsiege die Treppe hochkommen. Er will mir sicher wieder etwas "Spannendes" zeigen. Vor zwei Tagen hat er das trioptische Nic' Epoma entdeckt, was wird es wohl heute sein?

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